Dienstag, 20. November 2012

Love is all you need - Kino-Preview KRITIK

Ich stelle mein Fazit an den Anfang: Unbeding anschauen ! Eine romantische Komödie mit Pierce Brosnan.... Eine krebskranke Frau, Familienwirren, Italien, Sonne und ein Zitronenhain... Hätte ich das vorher gelesen, ich hätte abgewunken und einen tollen Film verpasst. Der Regisseurin Susanne Bier gelingt es, das Drehbuch von Anders Thomas Jensen ohne Kitsch in eine tragfähige und glaubhafte Geschichte über Liebe zu übersetzen. Dabei bleibt die Erzählweise nüchtern-betrachtend, Witz entsteht trotzdem, durch überragend ausgefeilte Dialoge und scharf gezeichnete Charaktere. Trine Dyrholm und Pierce Brosnan spielen überzeugend und glaubhaft die Mutter der jungen Braut und den Vater des jungen Bräutigams. Ihr Mann betrügt sie, seine Frau ist tot, man ahnt, dass die beiden sich näher kommen werden. Überraschend ist das "Wie", denn es macht Spaß, den beiden zuzusehen, wie sie auftauen, sich nähern, zweifeln und zurückrudern, sich einander sicherer werden und wieder loslassen, denn beide spielen glaubhaft und mit erstaunlicher Frische, wie man sich als Erwachsene verliebt, wie Liebe den Charakter formt, was Liebe mit den Menschen macht und was Menschen aus Liebe machen. Ihre Kinder, das jungverliebte Brautpaar, scheitern an der Titelidee, "Love is all you need", die Eltern zeigen unterdessen, wie man's richtig übersetzt. Das ganze hat Witz und tolle Dialoge, die Texte sind so ausgezeichnet, dass man kein geschriebenes Wort erkennt. Bis in kleine Nebenrollen hinein ist der Film gut besetzt, allerdings verblassen die übrigen Gäste der Hochzeit neben den überragenden Hauptdarstellern zur Kulisse. Oder vor der Kulisse, die aus Meer, Sonne, viel Italien und eben Zitronenhainen besteht - was Sie eher ermuntern als abhalten sollte, diesen tollen Film zu sehen.

Montag, 1. Oktober 2012

Dirk Bach ist tot.

Das ist wirklich sehr, sehr traurig, ich hab ihn schon zu Filmdosenzeiten live erlebt und und auch schon hinter den Kulissen getroffen, er war unglaublich nett und sympathisch, dazu noch ein toller Schauspieler und ein immens lustiger Moderator. Deutschland hat einen echten Star und einen tollen Menschen weniger. Dirk Bach war einer der allerletzten aus der  Gaga- Fraktion der ungezügelten Spaßmacher, der Bockmayer- Generation,  einer, der Herz auf die Bühne bringen und Generationen Spaß vermitteln konnte, einer der letzten Klamauker, ein Mann mit Funny Bones, ein Charakterkopf, das reißt einer schlimme Lücke in den deutschen Kulturbetrieb und die Fernsehmacher werden sich noch umgucken, wo solche Leute geblieben sind. Sehr, sehr schlimm, dass er so jung gestorben ist. Ich weine um ihn, auch wenn im Himmel jetzt sicher die Hölle los ist. 

Freitag, 6. April 2012

Günter Grass - Was gesagt werden muss - Kleine Randbemerkung

"Was gesagt werden muss"

Von Günter Grass

"Warum schweige ich, verschweige zu lange,

was offensichtlich ist und in Planspielen

geübt wurde, an deren Ende als Überlebende

wir allenfalls Fußnoten sind.

Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag,

der das von einem Maulhelden unterjochte

und zum organisierten Jubel gelenkte

iranische Volk auslöschen könnte,

weil in dessen Machtbereich der Bau

einer Atombombe vermutet wird.

Doch warum untersage ich mir,

jenes andere Land beim Namen zu nennen,

in dem seit Jahren - wenn auch geheimgehalten -

ein wachsend nukleares Potential verfügbar

aber außer Kontrolle, weil keiner Prüfung

zugänglich ist?

Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes,

dem sich mein Schweigen untergeordnet hat,

empfinde ich als belastende Lüge

und Zwang, der Strafe in Aussicht stellt,

sobald er mißachtet wird;

das Verdikt "Antisemitismus" ist geläufig.

Jetzt aber, weil aus meinem Land,

das von ureigenen Verbrechen,

die ohne Vergleich sind,

Mal um Mal eingeholt und zur Rede gestellt wird,

wiederum und rein geschäftsmäßig, wenn auch

mit flinker Lippe als Wiedergutmachung deklariert,

ein weiteres U-Boot nach Israel

geliefert werden soll, dessen Spezialität

darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe

dorthin lenken zu können, wo die Existenz

einer einzigen Atombombe unbewiesen ist,

doch als Befürchtung von Beweiskraft sein will,

sage ich, was gesagt werden muß.

Warum aber schwieg ich bislang?

Weil ich meinte, meine Herkunft,

die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist,

verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit

dem Land Israel, dem ich verbunden bin

und bleiben will, zuzumuten.

Warum sage ich jetzt erst,

gealtert und mit letzter Tinte:

Die Atommacht Israel gefährdet

den ohnehin brüchigen Weltfrieden?

Weil gesagt werden muß,

was schon morgen zu spät sein könnte;

auch weil wir - als Deutsche belastet genug -

Zulieferer eines Verbrechens werden könnten,

das voraussehbar ist, weshalb unsere Mitschuld

durch keine der üblichen Ausreden

zu tilgen wäre.

Und zugegeben: ich schweige nicht mehr,

weil ich der Heuchelei des Westens

überdrüssig bin; zudem ist zu hoffen,

es mögen sich viele vom Schweigen befreien,

den Verursacher der erkennbaren Gefahr

zum Verzicht auf Gewalt auffordern und

gleichfalls darauf bestehen,

daß eine unbehinderte und permanente Kontrolle

des israelischen atomaren Potentials

und der iranischen Atomanlagen

durch eine internationale Instanz

von den Regierungen beider Länder zugelassen wird.

Nur so ist allen, den Israelis und Palästinensern,

mehr noch, allen Menschen, die in dieser

vom Wahn okkupierten Region

dicht bei dicht verfeindet leben

und letztlich auch uns zu helfen."

Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 4. April 2012, S. 11


Ich verstehe die Aufregung um das Gedicht nicht. Ich bin viellicht mit 33 zu jung. Abgesehen davon, dass es sprachlich nicht toll ist, stellt Grass sich entgegen vieler Behauptungen auf keine Seite. Wer das Gedicht liest, liest kein anti-israelisches Pamphlet. Grass hält es mit der Vernunft und fordert, dass beide Länder, Israel und der Iran, von internationalen Aufsichtsbehörden kontrolliert werden müssen. Er fordert, dass weder das eine, noch das andere Land den Weltfrieden gefährden sollen. Damit drückt er lediglich die Meinung intellektuell gehobener Stammtische aus, "da unten" seien doch beide Seiten bekloppt.
Die Aufregung, die Grass entweder wollte oder unterschätzt hat, löst die andere Stammtischmeinung aus "Man wird ja wohl auch mal was gegen die Juden sagen dürfen!" - auch das schwingt mit, allerdings schwächt Grass es so ab und führt die Kritik so vorsichtig und entschuldigend an, dass es beinahe hämisch wirkt im Gesamtzusammenhang.
Das aber zeigt nicht, dass Grass ein Antisemit ist oder ein schlechter Autor - sondern nur, wie verkorkst der Umgang mit dem Thema trotz aller Sprachgewandtheit nur möglich ist.
Grass hetzt nicht gegen Israel, er zeigt sich mit Israel verbunden und kritisiert sein eigenes Land dafür, U-Boote in eine Krisenregion zu liefern. Als Literat darf man sowas. Niemand hätte ihm etwas vorgeworfen, wenn er die USA, den Kriegs- und Nachkriegsretter Deutschlands, für den ungerechtfertigten Angriff auf den Irak mit einem solchen Gedicht kritisiert hätte.
Grass bricht offiziell ein Schweigen zur israelischen Politik, dass es eben nur offiziell gibt, denn die Stammtische schweigen nie.
Die Debatte über das Grass- Gedicht könnte eine Chance darstellen, die heiklen Themen der Vergangenheit vom Stammtisch weg in sachlicher Form ins Hier und Jetzt der politischen Debatten zu tragen - die aufgeblasene Berichterstattung im Nachgang der Veröffentlichung zeigt nur, wie recht Günter Grass hat, die Schwierigkeiten im Umgang mit Israel sind unvergleichbar mit anderen Ländern.
Es geht nicht um Fakten in einer Krisenregion, es geht um alten Makel, um Schuld, um Angst, letztlich um Emotionen. Diese werfen sich jetzt Grass entgegen, der ins Rudern kommt. Deshalb war es vielleicht sachlich richtig, aber dennoch keine gute Idee, das Wespennest "gealtert und mit letzter Tinte" anzupieksen.